Haydn Klaviertrios
Joseph Haydn |
Joseph Haydn
- Klaviertrio A-Dur Hob.XV:18
- Klaviertrio d-Moll Hob.XV:23
- Klaviertrio E-Dur Hob.XV:28
- Quintett für Cembalo, 2 Hörner, Violine & Cello Es-Dur Hob XIV:1
- Divertimento für Horn, Violine & Cello Es-Dur Hob.IV:5
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Rezensionen
Fono Forum November 2011
Homogen zu
fünft
Da kann
niemand kommen und sagen, dieses Haydn-Programm sei Nullachtfünfzehn. Neben
drei Klaviertrios im klassischen Sinne enthält die neue CD des Abegg-Trios auch
ein Quintett für Cembalo, 2 Hörner, Geige und Cello sowie das
Es-Dur-Divertimento für Horn und zwei Streicher. Dass hier gleichermaßen Könner
wie Kenner am Werk sind, zeigt bereits der Eröffnungssatz des A-Dur-Trios (Hob.
XV:18), in dem scheinbare Haydn’sche Leichtigkeit mit grimmiger Eintrübung in
der Durchführung angereichert wird. Das Abegg-Trio – Gerrit Zitterbart hat für
diese Aufnahme einen Broadwood-Flügel von 1808 ausgewählt – findet stets
Kanäle, durch die es seinen ganzen Gestaltungs- und Ideenreichtum zu schleusen
versteht. Beispiel: das Vivace im d-Moll-Trio (Hob. XV:23), das nach den zwei
vorausgegangenen langsamen Sätzen wie eine Befreiung wirkt. Endlich darf wieder
gelacht, zumindest geschmunzelt werden. Die Geige nimmt diesen Stimmungswechsel
so forsch wahr, dass ihre obersten Töne mitunter pfeifenden Charakter annehmen.
Wilhelm Bruns und Tilman Schaerf bringen das Trio auf Quintett-Größe und fügen
sich nahtlos ein. Vom ersten Moderato-Takt an entwickeln die fünf eine
selbstläuferische Neigung, die glücklicherweise auf jedes athletische Streben
verzichtet. Auch zieht hier die Gemütlichkeit Haydn nicht in den Sessel,
sondern erweist sich in der Liaison mit kerniger Artikulation als richtig am
Platz. Warum diese Kernigkeit ausgerechnet im E-Dur-Trio (Hob. XV:28) zu
Gunsten größerer Zahmheit aufgegeben wird, insbesondere bei den Bassstimmen im
Finale, bleibt indes fraglich.
Christoph
Vratz
Klassik.com September 2011
Vehementer Zugriff
Seit rund drei Jahrzehnten gehört das Abegg Trio nun schon zu den
führenden Klaviertrio-Formationen. Es konnte zudem wie kaum ein anderes
Ensemble, das fest in der traditionellen Interpretationskultur verankert ist,
bei seinen Unternehmungen in Richtung historisch informiertem Musizieren
unter Zuhilfenahme historischer Instrumente große Erfolge verbuchen. Eine
eben beim audiophilen Label Tacet erschienene Einspielung von
Kammermusikwerken Joseph Haydns verfolgt diesen Weg. Ulrich Beetz, der Geiger
des Abegg Trios, spielt eine darmbesaitete Luppo-Violine (1729), die
Cellistin Birgit Erichson ein ebenso historisch eingerichtetes Cello (Andrea
Catagneri, 1747); beide werden unterstützt von Gerrit Zitterbart, der für
einige Stücke einen Broadwood-Hammerflügel (1808) heranzieht, für andere
hingegen ein Cembalo.
Kompositorische Überraschung vs. klangliche Facetten
Das Haydn-Programm ist interessant und kurzweilig. Zwischen drei
Klaviertrios stehen zwei Divertimenti, beide mit Horn- bzw.
Hörnerbeteiligung: das Quintett Es-Dur (Hob. XIV:1) vereinigt Cembalo, zwei
Hörner, Violine und Violoncello, im 'Divertimento á tre' tritt zu den beiden
Streichern ein Horn. Die Zusammenstellung der Stücke ist ausgeglichen: Die
drei Klaviertrios sind kompositorisch interessanter, in klanglicher Hinsicht
sind freilich die beiden Divertimenti mit Hörnerbeteiligung facettenreicher.
Timbrefinesse
Wilhelm Bruns und Tilman Schaerf gestalten im Quintett den Hörnerpart mit
stupender Virtuosität. Ihr Spiel auf den Naturhörnern bringt das spezifische
Timbre zum Leuchten und vereinigt weiches Legato mit gekonnter Wendigkeit
(Triller, schnelle Läufe, Wechsel von Naturtönen zu gestopften). Entgegen den
Gepflogenheiten einiger Hornisten aus dem Lager Alter Musik reichern sie den
Klang nicht mit robusten Rauigkeitswerten an, sondern präsentieren eine
sensible Verbindung von Timbrefinesse und Integration in den Gesamtklang des
Ensembles, das von den perlenden Figuren des Cembalos getragen wird. Von den
Streichern wird das luftige Trio des Menuet-Satzes (in dem Zitterbart in die
Trickkiste seines Cembalos greift) mit ausgesuchter Delikatesse entfaltet.
Ebenso überzeugend gerät das 'Divertimento à tre', bei dem Wilhelm Bruns den
– im Gegensatz zur Anlage des Quintetts anspruchsvolleren – Hornpart übernimmt.
Zopf ab, beinahe Kahlrasur
Den drei Klaviertrios nähern sich die Musiker des Abegg Trios mit
vehementem Zugriff. Das steht dem 1794 entstandenen A-Dur-Trio (Hob. XV:18)
gut an. Wie das Eingangsmotiv, ehe es erklungen ist, gleich in einer anderen
Stimme wiederaufgegriffen wird, unerwartete Akzente den Fortlauf jäh
herumreißen und Moll-Eintrübungen das musikalisch Geschehen plötzlich
einfärben, ist schlichtweg faszinierend. Eine Überraschung folgt der anderen,
sowohl in formaler, kompositorischer Hinsicht wie auch in klanglicher: Wie
Haydn den Triosatz disponiert, Stimmen mitlaufen lässt und damit zum Teil
frappierende Klangwirkungen entstehen lässt, ist höchst interessant – und
spannend, vor allem in dem interpretatorischen Zugang des Abegg Trios. Die Musiker
zielen nicht primär auf eine klanglich homogene Verbindung der Stimmen,
sondern auf eine expressive Ausformung des Satzes, und das heißt vor allem:
Jede Stimme wird in sich selbst mit dynamischer Nuancierung,
artikulatorischer Prägnanz und klanglicher Individualität (die durch die
Verwendung historischer Instrumente verstärkt wird) hoch ausdrucksvoll
gestaltet. So gelingen nicht nur hinreißend feinfühlige langsame Sätze wie
das 'Adagio ma non troppo' des d-Moll-Trios (Hob. XV:23), sondern vor allem
stürmische Finalsätze und spannungsvolle Kopfsätze, etwa des E-Dur-Trios
(XV:28) oder des schon erwähnten Trios A-Dur.
Der zuweilen klanglich bissige Zugang des Abegg Trios schneidet ‚Papa
Haydn‘ (den man in diesen Trios vergeblich sucht) nicht nur die Perückenzöpfe
ab; zuweilen klingt das Ergebnis eher nach Kahlrasur, etwa dann, wenn die von
Gerrit Zitterbart so heftig artikulierten Akzente die klanglichen
Möglichkeiten des Broadwood-Hammerklaviers zu übersteigen drohen und zusammen
mit den Obertönen des rau und sehnig tönenden Cellos ein Klanggemisch
entsteht, das eigenartig dissonant wirkt. – Hier wird bis an die Grenzen
dessen heran musiziert, was die Instrumente hergeben können. Das freilich ist
deshalb so unmittelbar zu erleben, weil der Klang exzellent geraten ist. Die
Instrumente befinden sich in einer guten klanglichen Balance. Nicht vergessen
werden darf der Booklettext von Jan Reichow, der in seinen minutiösen
Fingerzeigen auf Details der kompositorischen Faktur in der (heutigen)
Landschaft der Begleithefttexte alleine dasteht. Er rundet diese spannende
Einspielung bestens ab.
Tobias Pfleger (14.09.2011)
Klassik-heute September 2011
Auch jenseits der berühmten Werkreihen der
Sinfonien und Streichquartette finden sich im Œuvre von Joseph Haydn kostbare
Schätze – etwa in der Serie der über 40 Trios für Tasteninstrument (Klavier
oder Cembalo), Violine und Violoncello, die dem Komponisten ein nicht weniger
dankbares Experimentierfeld bot. Besonders die um 1795 – während Haydns zweitem
London-Aufenthalt oder unmittelbar anschließend in Wien – entstandenen Trios
(Haydn selbst bezeichnete sie als „Sonaten") zeichnen sich durch Erfindungs-
und Einfallsreichtum ebenso aus wie durch feinsinnige Ausarbeitung. In der
freien Behandlung der Form, der reichen Harmonik und der Dichte der motivischen
Arbeit gehen sie über alle früheren Werke hinaus.
Drei dieser späten Trios haben die Musiker des 1976 gegründeten
und seit 35 Jahren in gleicher Besetzung spielenden Abegg Trios nun im Weißen
Saal
des Weimarer Schlosses für das Label TACET eingespielt. Dabei bedienen sie sich
historischer Instrumente: Der Geiger Ulrich Beetz und die Cellistin Birgit
Erichson spielen auf im 18.Jahrhundert gefertigten italienischen Instrumenten
mit Darmsaiten unter Benutzung alter Bögen, wobei die Violine gelegentlich
etwas scharf klingt. Dem Pianisten Gerrit Zitterbart stand ein
Broadwood-Fortepiano von 1808 zur Verfügung, dessen perkussiver Ton das
Klangbild der sehr lebendigen, den individuellen Charakter der einzelnen Sätze
betonenden Einspielung prägt.
Zwischen den Klaviertrios erklingen zwei Divertimenti,
die Haydn
etwa dreißig Jahre früher für die Musiker der Esterházyschen Hofkapelle
schrieb. Das Orchester verfügte über erstklassige Hornisten, deren Fähigkeiten
durch diese Stücke besonders herausgestellt werden sollten. Das Trio per il
Corno da caccia Es-Dur setzt das ventillose Naturhorn mit virtuosen Figuren
gleichberechtigt neben Violine und Violoncello ein. Wilhelm Bruns, Solohornist
des Mannheimer Nationaltheaters, meistert die exponierte Partie souverän. In
dem Quintett werden zwei Hörner dem von Violine und Violoncello unterstützten
Tasteninstrument gegenübergestellt. Hier vertauscht Zitterbart den Hammerflügel
mit einem Cembalo, das er ebenso geläufig traktiert, während die Hörner
überwiegend fanfarenartiges Material beitragen und für die klangliche
Grundierung sorgen. Dem Ensemble, zu dem hier mit Tilman Schaerf ein weiteres
Mitglied der Deutschen Naturhorn Solisten tritt, gelingt es, die heikle
Klangbalance zwischen den ungleichen Instrumenten herzustellen – wozu nicht
zuletzt auch die vorzügliche Aufnahme von Andreas Spreer beiträgt, der hier
erfreulicherweise auf überflüssige Surround-Mätzchen verzichtet.
Sixtus König (26.09.2011)
Neue Zeitschrift für Musik 1993
Auf der
vorliegenden CD-Neueinspielung, nimmt sich das renommierte Abegg Trio
einiger Stiefkinder unseres Musikbetriebs an: vier der Klaviertrios von
Joseph Haydn, die nun einmal unleugbar ihrem historischen Stand nach
noch zur Gattung der Klaviersonate mit Begleitinstrumenten gehören. Die
Neueinspielung will darüber auch gar nicht hinwegtäuschen: im
Mittelpunkt steht stets der Pianist Gerrit Zitterbart, der die geradezu
konzertanten Ansprüche des Haydnschen Klaviersatzes in diesen Werken
mit Bravour meistert. Der Geiger Ulrich Beetz hält sich gelegentlich im
Dialog mit der Klavieroberstimme sogar ein wenig zu sehr zurück. Birgit
Erichson nutzt die Möglichkeiten ihres Celloparts immerhin aus, um sich
unaufdringlich, aber doch fühlbar in Dynamik, Artikulation und Wechsel
der Oktavlage vom Klavierbaß zu emanzipieren.
Die CD enthält neben
dem bekannteren G-Dur-Trio mit dem Rondo all’ongarese auch die Trios
Nr. 27, 29 und 31 der Hobokenschen Zählung und macht mit Nachdruck auf
ein Oeuvre von Rang aufmerksam. Diese späten Werke Haydns, die ja
schließlich parallel zu den letzten großen Sinfonien entstanden sind,
zeigen die gleiche meisterliche Reife, fesseln durch formale
Eigenwilligkeiten, durch improvisatorische Züge oder Mischformen aus
Variation, Sonate und Rondo, und auch durch überraschend
mediantenverliebte Harmonik und Tonartendisposition, wie man sie
gemeinhin erst bei Beethoven und Schubert sucht.
Die Aufnahmen des
Abegg Trios bringen die überragende spirituelle Qualität von Haydns
Musik, ihren Witz und ihr Temperament überzeugend zum Klingen. Alles
Spieldosenhafte ist verbannt, durch eine freizügige Interpretation
erscheint die Musik wundervoll beredt. Am weitesten weg vom Notentext
wagt sich das Abegg Trio im Mittelsatz des G-Dur-Trios, aber das mit
musikhistorischem Geschmack. Weil Haydns Komposition dort ohnehin schon
fast frühromantisch klingt, mit ihrer dunklen Sonorität den Ton von
Beethovens Mondschein-Sonate vorwegnimmt, so ist es wohl legitim wenn
das Cello einmal die Violinmelodie mitspielen oder ganz übernehmen
darf.
Neue Musikzeitung Juni/Juli 1993
Obwohl
die späten Klaviertrios von Haydn an Bedeutung den Quartetten oder
Sinfonien nicht nachstehen, fristen sie immer noch ein Schattendasein.
Um so wichtiger diese Aufnahme, zumal das Abegg Trio höchst intelligent
phrasiert, die kompositorische Faktur sinnfällig herausarbeitet und
zugleich den verblüffenden Farbreichtum dieser Werke, der sich auch in
außergewöhnlichen Tonartrückungen niederschlägt, blühend unterstreicht.